Plädoyer für eine gerechte Energiewende

Jean-Philippe Desmartin, Edmond de Rothschild Asset Management

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Etliche Volkswirtschaftler setzen sich für einen „Green New Deal“ ein.

Zum Ende der letzten UN-Klimakonferenz (COP24), die im Dezember 2018 in Polen stattgefunden hat, war man sich einig, dass Maßnahmen gegen die Erderwärmung notwendig sind. Das Beharren Warschaus auf der Unterzeichnung einer Erklärung zum Thema „gerechte Energiewende“ durch die Staaten und die Proteste der „Gelbwesten“ in Frankreich machen darauf aufmerksam, dass sich die Herausforderung der Energiewende nicht allein auf den ökologischen Pfeiler der nachhaltigen Entwicklung beschränkt.

Noch nie ist die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen die Erderwärmung so deutlich zutage getreten wie heute. Dies zeigt sich im jüngsten Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) über die Folgen eines Temperaturanstiegs von 1,5 Grad Celsius, der im Oktober 2018 vorgelegt wurde. Nun sind die Politikgrößen zur Tat geschritten: Während der UN-Klimakonferenz  wurde die Anwendung des Pariser Abkommens konkretisiert, und viele Staaten setzen bereits Maßnahmen zur Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft um. Allerdings wirken sich diese Maßnahmen auf die betroffenen Völker und Gebiete aus. So ist Polen in der Stromerzeugung immer noch zu 80 % auf Kohle angewiesen und zählt 85.000 Bergleute, deren Arbeitsplätze in Gefahr sind. Die Schließung von Kohlebergwerken hat zu Streiks und heftigen Protesten in Polen und auch in Deutschland geführt. In Frankreich hatte die jüngste Gelbwestenbewegung ihren Ursprung in einer Erhöhung der Spritsteuer. Eine Ökosteuer birgt somit auch die Gefahr einer Verschärfung sozialer Ungleichheiten.

Die Energiewende muss daher mit sozialen Begleitmaßnahmen
für die Bevölkerung einhergehen.

Diese Beispiele machen deutlich, dass eine gerechte Energiewende nur möglich ist, wenn die sozialen Fragen der Energiewende angegangen werden.

Dieses Konzept findet bereits in der Präambel des Pariser Abkommens Erwähnung. Für die Vertragsparteien heißt es hier: „unter Berücksichtigung der zwingenden Notwendigkeit eines gerechten Strukturwandels für die arbeitende Bevölkerung und der Schaffung menschenwürdiger Arbeit und hochwertiger Arbeitsplätze“. Die Energiewende muss daher mit sozialen Begleitmaßnahmen für die Bevölkerung einhergehen.

Es gibt Initiativen wie den Just Transition Fund in den Vereinigten Staaten, der von gemeinnützigen Stiftungen ins Leben gerufen wurde. Er unterstützt ehemalige Bergleute in den Appalachen und finanziert CO2-arme Projekte. Auf politischer Ebene fordern einige Volkswirtschaftler die Einführung eines „Green New Deal“, eines Konjunkturprogramms, das sowohl dem Klimawandel als auch sozialen Ungleichheiten den Kampf ansagt.

Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Energiewende dürfen jedoch nicht zu Verzögerungen führen. Ihre Umsetzung wird ihrerseits Arbeitsplätze schaffen und für Wachstum sorgen. Die OECD schätzt, dass die Energiewende den G20-Staaten bis 2050 zu einem zusätzlichen Wachstum von fünf Prozent verhelfen dürfte. Die Umsetzung des Pariser Abkommens dürfte nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 24 Millionen Arbeitsplätze schaffen.

Zuletzt sei auch erwähnt, dass Verzögerungen in der Energiewende die Belastung für künftige Generationen erhöhen würde. Das hat auch der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz in einer aktuellen Mitteilung deutlich gemacht1: „Es ist besser, unseren Kindern einen Schuldenberg zu hinterlassen, den man auf die ein oder andere Weise in den Griff bekommen kann, als sie mit einer möglicherweise unkontrollierbaren Umweltkatastrophe zu konfrontieren.“